Mit den Worten „Göttingens älteste Gaststätte“ leitet Veronica Brieke die Chronik ihrer Kneipe, die korrekt Speisewirtschaft heißt, ein. Diese eine Seite zur Geschichte des „Kleinen Ratskeller“ steckt in einer Mappe mit der Liste von Gerichten, die allerdings keine Gültigkeit hat – nicht die einzige Spezialität des Hauses.

 

Die Wirtin serviert die Teller nicht standardisiert à la carte, sondern sur l‘ardoise: von der mit Kreide beschrifteten Tafel auf den Tisch – mit regelmäßig geänderten Schwerpunkten, jedenfalls mit Wert auf saisonaler Gewichtung. „Wer bei mir einkehrt, darf gern, muss aber nichts essen. Wir führen eine Bierbegleit-Karte“, betont Brieke. Diese Haltung hat Tradition.

Denn schon dem ersten Wirt ging das Gewerk flüssig von der Hand in den Krug. Um 1700 sei die zuvor als „Boda“ bezeichnete Fachwerkimmobilie als „Brauhaus zweiter Klasse“ ausgewiesen worden; 1730 stieg die „Bude“ zum „Brantweinschank“ auf – offensichtlich erster Klasse, denn nachdem mehrere Generationen durstiger Göttinger gestillt und in würdevoller Haltung aus dem Schankraum stolziert waren, wurde die Apelsche Gastwirtschaft (ab 1858) nur noch liebevoll „Das scharfe Eck“ genannt. Der Name Kleiner Ratskeller entstand 1880, nachdem der Sohn vom Wirt des Rathskellers (mit h) Apels älteste Tochter ehelichte.

 

Veronica Brieke ist direkte Nachfahrin. 2017 wird sie den Kleinen Ratskeller (der andere hat heute einen neuen Namen) im 25. Jahr und in vierter Generation an der Kreuzung Jüden- und Speckstraße führen. Im rustikalen Ambiente stehen in drei Gaststuben 80 Plätze zur Verfügung. In der kleinsten Stube machen es sich die Raucher bequem. Wer nicht nur Steinkrüge und Gläser hebt, lässt sich von Veronica Brieke und ihrem Koch überraschen. Im Herbst und im Winter zum Beispiel mit Grünkohl („meine Spezialität nach Art der Schwiegereltern, die wohnen an der Nordseeküste“) oder Braten in Schwarzbiersoße – für alle Gerichte gilt: „Die Zutaten und Speisen sind frisch zubereitet und hausgemacht.“ Auch Sonderwünsche werden erfüllt.

An jedem ersten Mittwoch im Monat treffen sich hier Folk-Musiker auf der offenen Bühne und improvisieren irische Weisen. Der Kleine Ratskeller wird von Erstsemestergruppen bis zu Hochzeitsgesellschaften gebucht. Hier kehrt immer noch jeder jeden Alters ein, der „Freundlichkeit, Herzlichkeit und Geselligkeit“ schätzt, sagt die Wirtin. ski